Freitag, 14. September 2012


Ich melde mich heute aus Lesbos zurück, aus dem Ort "Petra". Ich wollte endlich einmal den
Ort aufsuchen, dessen Namen ich trage. Früher mochte ich meinen Namen nicht...ich fand ihn
hart...er bedeutet ja Fels, Stein...aber heute verstehe ich es, denn Griechenland "ist mein Land".
Eine tiefe Sehnsucht, immer wieder dorthin zu reisen, begleitet mich seit vielen Jahren...

...."zufällig" haben auch alle meine drei Kinder griechische Namen....Alexander, Constantin
und Samina (zumindest heißt so der Wein auf Samos...)


eine Woche mit großem Schmerz und bewegendem Austausch mit wunderbaren Menschen, die zu Freunden wurden. "Mit Lust und Liebe die Weiblichkeit leben" war das Thema des Seminars. Und was bietet sich da besser an als Lesvos, wie die Griechen sagen, die Insel der Liebe!

Ohne jegliche Erwartung, was zugegebener Maßen nicht immer leicht ist, flog ich von München aus los. Bereits im Bus teilte uns der Leiter der Männergruppe mit, dass wir nun gleich in eine Therme steigen mit ca. 45 Grad warmen Wasser, danach  würden wir gemeinsam im Meer baden......

Ich war mir nicht sicher, ob uns das alle begeistern würde, mit  fremden Frauen gemeinsam nackt in ein Bad zu steigen und danach, von Uwe angekündigt, womöglich auf fast allen vieren über glitschige Steine ins Meer zu steigen...die fremden Männer links von uns....im Meer schwammen die Ehefrauen ihren Männern entgegen....

Am Abend gingen wir in eine Taverne am Strand, wo wir einfaches, aber schmackhaftes Essen serviert bekamen. Die Männer am Männertisch, die Frauen am Frauentisch...

Am nächsten Morgen startete das Seminar....liebevoll begleitet von Rita, assistiert von Dorothea und Liane, die sich immer liebevoll um uns kümmerten.

Vormittags hatten wir Seminar..."mit Freude und Lust die Weiblichkeit leben"...nachmittags machten wir Ausflüge und jeden Abend aßen wir in einer anderen Taverne, wo das Essen serviert wurde, der Wein und alles, was das Herz begehrt...Fülle pur...wir mussten kein Essen aussuchen, mussten nicht bezahlen, später wurde alles abgerechnet.

Wir Frauen öffneten uns nach und nach und bei jeder kam der Schmerz der verdrängten Gefühle der Kindheit hoch. Jede hatte ihr Leid....wohltuend zu hören, dass es anderen genauso oder ähnlich geht.

Am Samstag wanderten wir an der Steilküste entlang mit einem wunderbaren Blick aufs Meer und trafen in einer einfachen Taverne am Strand ein, die Männer waren uns voraus gegangen. Wir sangen Lieder und Mantren, das unbeschreibliche  Licht des Sonnenunterganges...dann gab es gutes Essen.
Danach tanzten wir bei unserer aller Lieblingsmusik - wir waren ausgelassen und fröhlich. Knapp
30 zusammengewürfelte Teilnehmer der Seminare.....es war wunderschön...

Dann fuhren wir mit Taxis ins Hotel und feierten dort weiter - tolle Lieder, ausgelassene Stimmung.
Ich bedankte mich bei Uwe, weil er einfach alle "meine" Lieblingslieder parat hatte. Was ich wünschte,
spielte er. Ich umarmte ihn, da tanzte er mit mir los....und nach ein paar Schritten stürzte er und ich fiel auf ihn....reichlicher Weingenuß und ein verletzter Fuß ließen ihn den Halt verlieren...wir rappelten uns auf, weiter ging die Party. Er spielte alle "seine" Lieder rückwärts in seine Jugend, als er noch in einer Band spielte.

Weit nach Mitternacht meinte er: "Ich bin betrunken" Uwe geht nach Hause....

Bester Stimmung verabschiedeten wir uns voneinander. 

Am nächsten Tag, Sonntag, 9.9.2012 ( die 9 bedeutet Vollendung und Uwe hatte sich gleich zwei mal die Neun ausgesucht und einen Sonntag gewählt, um seinen Körper zu verlassen) hatte ich eine Einzelsitzung bei einer Therapeutin und war in Trance, als ich einen markerschütternden Schrei hörte.....und dachte, da wird jemand umgebracht... wir führten die Sitzung zu Ende und ich ging auf mein Zimmer, um mich auszuruhen....

Eine Stunde später ging ich an den Pool und fühlte mich noch nicht so, wie ich gerne wollte. Da kam meine Therapeutin mit ernsten Gesicht langsam auf mich zu und sagte, es wäre etwas Schreckliches geschehen...mit weit aufgerissenen Augen fragte ich: "Was ist passiert?" Sie meinte mit stockender Stimme: "Uwe ist heute nacht gestorben" ich brauchte einige Zeit, bis ich realisierte, was ihre Worte bedeuteten und dann schüttelte mich ein Weinkrampf. Intuitiv Schoß mir in den Kopf, dass es ein Herzinfarkt war, was sich zwei Tage nach der Autopsie bestätigte...zuerst hatte man vermutet, dass es
mit dem Sturz zu tun hatte, was mich tiefe Schuldgefühle erleben lies....

Den Abend vorher Party, Freude und Glück pur, den nächsten Tag tiefste Verzweiflung und Trauer...

Nach und nach erfuhren es alle Teilnehmer. Wir standen alle unter Schock, jeder reagierte anders auf die Nachricht...und wir alle stellten uns die Frage: "Warum Uwe, so ein fröhlicher ausgeglichener Mensch, der den tollsten Job hat". Gemeinsam mit seiner Frau Rita gab er in den Sommermonaten Seminare auf Lesbos. Also jemand, der liebt, was er tut und tut, was er liebt.

Abends setzten wir uns alle zusammen und trauerten. Am nächsten Morgen gab es ein offizielles
Abschiedsritual, dass Hannah, eine Schwedin, leitete. In ihrem Land setzen sich die Menschen zusammen  und berichten von ihrem letztes schönes Erlebnis mit dem Verstorbenen.

Jede/jeder von uns berichtete eine nette Anekdote, die sie/er seit der Ankunft mit Uwe gehabt hatte. Die allermeisten kannten ihn erst seit ein paar Tagen. Wir weinten, sangen Lieder und Mantren....

Da kam auf einmal eine schwarze Katze herein, ging im Kreis und miaute...Rita, seine Witwe meinte..
Uwe hatte einmal einen schwarzen Kater. Uns lief einer Schauer über den Rücken...denn bisher hatten
wir immer nur weiße und rot-weiße Katzen in der Hotel- Anlage gesehen...
..nach kurzer Zeit sahen wir einen Schmetterling fliegen (der das Symbol für Verwandlung ist)....

Rita, die sehr gefasst war, erzählte, dass vieles, was Uwe im letzten halben Jahr getan hatte, nun erklärbar wurde. Er fing zu rauchen an, die Männer sagten, dass er jeden Abend getrunken hatte.
Sie erklärte uns, dass jemand, der raucht, sich feinstofflich machen wolle.

Menschen, die ihn schon Jahre lang kannten, verstanden das nicht. Er und seine Frau hatten jahrelang einen großen Bioladen im Schwäbischen geführt. Rita berichtete, dass sie sich vor ein paar Monaten das erste Mal etwas Schwarzes zum Anziehen gekauft hatte...damals wusste sie nicht, warum. Jetzt schon...denn Uwe liebte bunte Kleidung an ihr.

Wir alle kamen zu dem Schluß, dass Uwe seinen "Abschied" gefeiert hatte und wir fühlten eine große Ehre, dass er uns dabei haben wollte.

Abends konnten wir bereits wieder lachen und fröhlich sein, weil wir der Trauer Raum gegeben hatten.

Wir waren dankbar für dieses Geschenk. Eines ist uns auch klar geworden. Man soll jeden Tag so leben, als wenn er der letzte wäre...man soll jeder Person sagen, dass man sie liebt, wenn man es fühlt, denn man weiß nicht, ob man am nächsten Tag die Gelegenheit dazu hat...

Freude und Schmerz sind nur einen Hauch voneinander entfernt. Die beiden Seiten einer Medaille, sie kommen aus einer Quelle. Jeder kennt das Gefühl, vor Freude zu weinen.

Wenn wir unsere Gefühle voll ausleben, immer annehmen, was gerade da ist und uns dieser Wellenbewegung hingeben, haben wir das Wichtigste verstanden. Dann können wir beides "genießen". Denn wir wissen genau, dass nach der tiefsten Trauer größte Freude möglich ist.

Das ist das größte Geschenk dieser Reise, die wir alle mit nach Hause genommen haben.

In Liebe
Petra










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